Der Aschaffenburger Maulaff`

Da steht er, der Maulaff,
steht still und schweigt und gafft
und reißt das Maul auf – ungestraft,
weil er nichts, so gar nichts sagt.
Weil er ruhig ist, ist er ein Unruhestifter?
Ein gedankenloser Störenfried,
der doch nichts denken kann,
weil das Maulaufreißen ihn beschäftigt
und ansonsten nichts geschieht?
Vielleicht glaubt er, sein Schweigen sei Kunst?
Im selben Jahr geschnitzt wie Brentano geboren
wär er am Brunnen des Myrthenfräuleins verloren.
Denn – der Maulaff sucht das Publikum,
nicht die versteckten Ecken der Stadt.
Der Maulaff geht vor den Geschäften um,
und plötzlich steht er da und gafft
und redet nicht mit den Leuten.
Und wenn einer ihn zwickt, dann lacht
er nicht, nein, er steht und gafft und gafft.
Reißt er das Maul auf, weil er staunt
über uns, über sich und über die Welt?
Philosophiert er gar, was sie zusammenhält?
So gebärdet er sich elitär.
Gafft er über zuviel Verhülltes,
über babylonisches Stimmengewirr,
das längst zum Aschebercherisch gehörd?
Oder gafft er, weil zuviel Enthülltes
sein armes Auge schmerzt und stört?
Steht er außerhalb der Weltmanege,
und wir armen Verwirrten, Verirrten treiben
matt ergeben im Strom unserer Zeit?
Ein Philosoph, der Maulaff, oder ein Narr?
„Könnte der Narr schweigen, so wär er weis.“
Der Maulaff, ein Weiser, weil er schweigt?
Und ist Schweigen Kunst, so ist er ein Künstler
und sieht, wie so manche Künstler,
was sich im Geheimen vorbereitet.
Und er verharrt, um im Strudel der Alltäglichkeit
die Essenz zu erspüren,
zum Denken zu verführen.
Ist er der Rufer in der Wüste zur Wachsamkeit?
Macht der Maulaff das Maul auf,
weil wir im entscheidenden Augenblick
das Maul eben nicht aufmachen?
So ist er ein Standbild gegen den Strom der Zeit,
gegen den mainstream, ein Mahnmal,
nicht still zu sein,
nicht zu verharren,
nicht zu erstarren,
das Ungewöhnliche tun,
das Alte neu erdenken,
eine ungewöhnliche Position
zu den Dingen einnehmen.
Ist er ein Spiegel,
in den wir schauen,
und uns dann schämen?
Da steht er, der Maulaff,
steht still und schweigt und gafft
und reißt das Maul auf – ungestraft.
Vielleicht  steht sein Maul aber einfach nur offen,
weil er mit sich selbst eine Wette geschlossen
hat, wie lange er das Maul aufreißen kann.
Oder er steht wie vom Blitz getroffen,
weil er einfach nicht glauben kann,
dass die Welt fast wie ein Vollautomat
trotzdem und dennoch immer weitergeht?

 2016

Wenn wir unsere Grenzen verloren haben

Eines Tages vielleicht, wenn wir unsere Grenzen verloren haben,
haben wir auch unsere Freiheit verloren.
Weil es ohne Maß und ohne Grenze keine Freiheit gibt.
Und sind wir nicht längst dabei,
das Maß zu verlieren,
wenn Kinder nicht mehr Kinder sind,
mit Erwachsenen auf Augenhöhe diskutieren?
Wenn Eltern all ihre Probleme  vor allen ausbreiten
und auch ihre Kinder damit maßlos überfordern
und sie in grenzenlose Ängste treiben,
weil sie eben keine Erwachsenen sind?
Ja wir sind längst dabei,
unser Maß und unsere Grenzen zu verlieren.
Weil wir Verhalten und Meinungen konsumieren,
statt auf unser Gefühl zu hören.
Verlernt haben wir zu balancieren
zwischen den Grenzen,
den notwendigen und den sinnvollen
und der grenzenlosen und unsinnigen
Freizügigkeit, die wir heute leben
und die uns so manche als erstrebenswert
 verkaufen wollen,
damit wir unsere Grenzen preisgeben.
Alles lassen, alles zulassen, weil nichts uns schert.
Damit wir, was von den Vätern ererbt,
über Bord werfen
und um ein Goldenes Kalb tanzen,
hinter dem sich die Medien verschanzen,
die uns täglich in hohen Dosen
mit Lockerheit und coolness
die vermeintliche Freiheit versoßen.
Alles ist erlaubt,
ist der Leitspruch der Willkür
und macht alle Freiheiten,
für die unsere Vorfahren
über Jahrhunderte gekämpft haben,
zunichte.
Menschenunwürdig ist Willkür
und grenzenlose Freiheit.
Von unseren Vätern und Vorvätern
haben wir Grenzen geerbt.
Wollen wir diese Grenzen behalten,
wollen wir sie neu gestalten,
wollen wir diese Grenzen verstehen
und für sie einstehen?
Oder verkaufen wir unser Gefühl,
unser Maß und unser Ziel?
Verkaufen unsere Landmarken
und merken es nicht einmal,
weil unser Gefühl schal
geworden ist?
Eines Tages vielleicht, wenn wir unsere Grenzen verloren haben,
haben wir auch unsere Freiheit verloren.
Weil es ohne Maß und ohne Grenze keine Freiheit gibt.
Haben wir den Mut,
in den Spiegel zu schauen,
den uns die hinhalten,
die über unsere Grenzen kommen.
Haben wir den Mut,
uns selbst zu trauen,
zu bewahren, was wir für Wert halten.
Jetzt ist der Tag, jetzt ist die Stunde,
unsere eigenen Grenzen zu kennen.
Werte des Abendlandes in aller Munde?
Dann lasst sie uns laut benennen.
(Aber bitte ohne Böhmermann zu nennen!)
Vielleicht finden wir verdrängten Glauben wieder,
vielleicht knien wir nicht mehr nieder
vor dem Goldenen Kalb
der globalen Gleichschaltungsbrüder.
Lasst uns unsere Grenzen behaupten,
sie verstehen und für sie einstehen!
Lasst uns unsere Grenzen leben!
Denn Ungelebtes und Unbegrenztes
ist locker und wird durchlässig
und wird unsichtbar
und erlischt.
Lasst uns die Fremden, die zu uns kommen,
als Chance begreifen,
an ihnen zu reifen!
Lassen wir uns fordern für unsere Grenzen!
Lasst uns aufmachen sie wiederzufinden!
Denn nur im Schutz der Grenze
entwickelt sich Freiheit.
Also lasst uns die Grenze der Trägheit überwinden.
Der Mensch ist bequem, träge und faul.
Das hat schon Immanuel Kant hat gesagt,
aber er hat auch nur dem Volk aufs Maul
 geschaut.
Machen wir uns Gedanken
um alte und neue Schranken!
Schranken müssen gezogen werden
um der Freiheit aller willen,
auch um der Freiheit derer,
die anders denken,
die aus anderen Kulturen kommen,
damit es nicht zum Kampf
aller gegen alle kommt,
weil wir zu viel verschenken.
Eines Tages vielleicht, wenn wir unsere Grenzen verloren haben,
haben wir auch unsere Freiheit verloren.
Weil es ohne Maß und ohne Grenze keine Freiheit gibt.

2016